ScanYourCity ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Zeichenwelt von Städten. Wir begreifen die Stadt als einen lebendigen, sozio-kulturellen Organismus und dokumentieren die Interventionen ihrer BewohnerInnen - grosse und kleine Eingriffe, die sich aus der kollektiven Nutzung räumlich begrenzter Flächen ergeben. Nicht selten handelt es sich dabei um tiefgreifende Veränderungen wie das Verschwinden von Grünflächen oder die Neugestaltung ganzer Strassenzüge. Daneben finden sich aber auch eine Vielzahl von behelfsmässigen, scheinbar belanglosen Beispielen von temporärer Appropriation, Installation, Umnutzung oder Ersatz, welche die Identität dicht besiedelter Stadträume prägen. Solche Veränderungsprozesse, seien sie unwiderbringlich oder temporär, hält ScanYourCity mit den Mitteln der digitalen Fotografie fest.
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, das heisst weit über drei Milliarden Menschen leben schon heute in städtischen Agglomerationen. Und die Sogwirkung der Ballungszentren bleibt ungebrochen - vorab in der südlichen Hemisphäre. Transformationsprozesse, die mit einer ungebremsten Zuwanderung einhergehen, sind denn auch in boomenden Drittweltmetropolen wie Mexico City, Schanghai oder Mumbai besonders evident. In Anlehnung an das noch relativ junge Forschungsgebiet der "urbanen Ethnologie" inventarisieren wir die in rasantem Tempo sich verändernden sozio-kulturellen Verhaltensmuster und Zeichensysteme in grossstädtischen Gemeinschaften und speichern sie in einer fotografischen "Zeitkapsel" von historisch-dokumentarischem Wert.
Anders wie der umstrittene Online-Dienst Google-Street-View, der sich eine möglichst nahtlose Kartografierung städtischer Infrastrukturen zum Ziel setzt, verfolgt ScanYourCity einen punktuell orientierten Ansatz, der sich am besten als gelenkter Zufall beschreiben lässt. Angestrebt wird keine flächendeckende Visualisierung, sondern das Erschaffen eines ortsspezifischen Bild-Lexikons, bestehend aus Tausenden von Einzelaufnahmen.
Zusammengetragen werden die Bilder im Rahmen eines zweiwöchigen Workshops unter aktiver Mitwirkung von zwanzig lokalen Fotostudenten. Beim fotografischen "Vermessen" ihrer Heimatstadt orientieren sich die Workshop-Teilnehmer an einem im voraus gemeinsam festgelegten Typologienraster, bestehend aus Hauptkategorien (wie Mensch, Transport, Religion etc.), Unterkategorien (Migration, städtische Armut, städtische Eliten, Krankenversorgung etc.) sowie spezifischen Motivgruppen (Ghetto-Bildung, Rikshaw-Fahrer etc.).
Der gewählte Ansatz folgt der Überzeugung, dass nicht ein einzelnes Motiv bzw. eine singuläre Fotografie das Charakteristische und Unverwechselbare urbaner Situationen ausmacht, sondern die Masse - das Zusammenfallen von immer Gleichem auf begrenzter Fläche. Es erscheint paradox, aber erst die Wiederholung macht das Individuelle sichtbar.